LMU-Princeton Graduate Seminar 2025
Reading: Forms of Attention and Distraction
LMU-Princeton Graduate Summer Seminar
Munich, June 16-18, 2025
Organized by Joel Lande, Susanne Reichlin, and Carlos Spoerhase
In collaboration with Bailey E. Sincox, Johannes Wankhammer (Princeton) and the CRC “Cultures of Vigilance” (Munich)
Our contemporary moment is often diagnosed as one of attention deficit, with digital distractions constantly threatening our economic and intellectual productivity. However, this concern is far from new. As early as 1900, critics lamented the distractions of the cinema and flashing billboards. Even this historical perspective proves too limited once one considers the long pre-modern tradition of warnings against distracting stimuli in religious practices (Desert Fathers, monks), schools, scholarly contexts, and even military defense.
The 2025 LMU-Princeton Summer Seminar explores the cultural history of attention and distraction, seeking to better understand historical continuities and discontinuities: What idealizations and vilifications of attention and distraction do we encounter in different eras? How has the fallibility of human concentration been historically understood? How is attention cultivated and habituated, and what bodily practices (sitting, kneeling, walking) and media (devotional images, recitation, bells) shape it? What historical distinctions – for example, between voluntary and involuntary attention – can be observed? Must attention always be directed transitively toward an object? What intransitive varieties of attention, often described as mere openness and objectless anticipation, do we find in mystical and other epistemic contexts?
Long before modernity, reading, as a paradigmatic attention-absorbing technique, played a special role in reflections on attention and distraction. Our seminar therefore explores reading as a “model case” for interdisciplinary debates about attention. From a cultural-historical perspective, we will inquire into when forms of distracted reading or self-forgetful reading become thematic; how texts’ ability to orient and manipulate our attention can be addressed; and how literary practices (philological criticism, close reading) can be situated in more encompassing historical frameworks of attention. Our goal is to investigate distraction and attention less as an opposition than as mutually conditioning poles, constantly redefining focal point and horizon. By examining the long history of practices and discourses that shape this relationship, we hope to rethink our own reading practices and to reassess contemporary discourses on the dangers of distraction.
Room and board will be provided for the duration of the seminar; participants are responsible for the cost of travel to Munich, Germany. Discussions will take place in English and German.
To apply for the Summer Seminar, please send a short CV along with an abstract of max. 400-words outlining a brief presentation on the seminar topic by January 24, 2025 to LMU_PU.
Complete event program forthcoming
Lesen: Formen der Aufmerksamkeit und Ablenkung
LMU-Princeton Sommerseminar zur Erforschung der Kultur der Aufmerksamkeit
München, 16.–18. Juni 2025
Zur Gegenwartsdiagnose unserer Zeit gehört das Lamento um Aufmerksamkeitsdefizite, um die digitalen Ablenkungen, die unsere wirtschaftliche und intellektuelle Produktivität ständig bedrohen. Nicht selten folgt darauf der Einwand, dass bereits um 1900 Ablenkung und Zerstreuung als Folgen des Kinos und der leuchtenden Reklametafeln beklagt worden seien. Doch auch dieser historische Einwand ist noch zu kurz gegriffen, bedenkt man die lange vormoderne Tradition der Warnung vor ablenkenden Stimuli im Rahmen religiöser Andachtspraktiken (Wüstenväter, Mönche), in Schulen und gelehrten Kontexten oder bei der kriegerischen Gefahrenabwehr.
Im LMU-Princeton Summer Seminar möchten wir der Kulturgeschichte von Aufmerksamkeit und Ablenkung nachgehen, um die historischen Kontinuitäten und Diskontinuitäten besser zu verstehen: Welchen Idealisierungen und Dämonisierungen von Aufmerksamkeit und Ablenkung begegnen wir in verschiedenen Epochen und welches Wissen um die Fallibilität menschlicher Konzentration wird dem jeweils entgegengesetzt? Wie wird Aufmerksamkeit eingeübt und habitualisiert und welche Körperpraktiken (Sitzen, Knien, Gehen) und Medien (Andachtsbilder, Rezitation, Glocken) formen diese? Welche historischen Differenzierungen – etwa zwischen willkürlicher und unwillkürlicher Aufmerksamkeit – sind zu beobachten? Muss Aufmerksamkeit immer transitiv auf ein Objekt gerichtet sein oder gibt es – beispielsweise in mystischen oder epistemischen Kontexten – auch intransitive Formen der Aufmerksamkeit, die häufig als bloße Offenheit und gespannte Erwartung (statt der Konzentration auf etwas) beschrieben werden?
Schon lange vor der Moderne kommt bei der Reflektion über Aufmerksamkeit und Ablenkung dem Lesen als einer paradigmatischen Aufmerksamkeit absorbierenden Technik eine besondere Rolle zu: Wir werden uns deshalb die Frage stellen, wie das Lesen zu einem „Model Case“ für disziplinenübergreifende Debatten über Aufmerksamkeit wurde. Kulturhistorisch ist hier zu fragen, wann Formen des zerstreuten Lesens oder der sich selbst vergessenden Lektüre thematisch werden; wie
sich die Fähigkeit von Texten, unsere Aufmerksamkeit zu orientieren und zu manipulieren, thematisieren lässt; und wie sich literaturwissenschaftliche Lesepraktiken (philologische Kritik, Close Reading) in größere wissenshistorische Aufmerksamkeitsdispositive einordnen lassen. Ablenkung und Aufmerksamkeit erweisen sich dabei weniger als Gegensatz, denn als sich gegenseitig bedingende Fokusverschiebungen, die Zentrum und Horizont immer wieder neu bestimmen. Durch den Blick auf die lange Geschichte der Praktiken und Diskurse, die dieses Verhältnis prägen, wird sich unsere Wahrnehmung der eigenen Lesepraktiken genauso verändern wie die Einschätzung der aktuellen Debatten über die Gefahren der Ablenkung.
Für Kost und Logis während der Veranstaltung wird gesorgt, wohingegen die Reisekosten von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu übernehmen sind. Wenn Sie sich für das Summer Seminar bewerben möchten, senden Sie bitte eine kurzes CV und ein Abstract von etwa 400 Wörtern, in dem Sie eine Präsentation zum Thema skizzieren, bis zum 24. Januar 2025 an folgende E-Mail-Adresse: LMU_PU.
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Sponsored by LMU-München, Princeton German Dept, and Humanities Council.